Freitag, 28. September 2012

"No problem"


Nun ist also schon ein Monat in Indien vergangen und wir sehen unser Umfeld schon mit ganz anderen Augen. Man lebt sich langsam ein. Man weiß jetzt, in welchem Supermarkt man Waschmittel oder Shampoo kaufen kann, was die beste Tageszeit ist um seine Wäsche zu waschen oder mit welchem Bus man in die nächste Stadt fahren kann. 
Somit haben wir uns an vieles schon gewöhnt. Sowohl der erschreckende Verkehr als auch die alltägliche Hitze sind bereits gängige Praxis geworden. Manchmal suchen wir zwar noch verzweifelt nach einem Sicherheitsgurt, doch ernüchternd müssen wir uns bei Tempo 80 und fragwürdigen Überholmanövern eingestehen, dass wir unser Vertrauen blind in den Fahrer setzten sollten und nicht auf unseren Verstand- „No problem, he is a good driver
Doch große Hindernisse sind auch noch zu überwinden. So treibt uns das scharfe Essen immer noch so manche Tränen in die Augen und der Stromausfall erfolgt auch immer dann, wenn wir dessen gerade so nötig bedürfen.


Eine Waschmaschine vermissen wir jetzt schon...

Auch wissen wir jetzt, dass man in Indien ca. drei Wochen einplanen sollte um seine polizeiliche Registrierung abzuschließen und es auch ganz normal ist zwei Stunden bei der Polizei zu warten, um doch mit nichts außer enttäuschten Gesichtern wieder nachhause geschickt zu werden- No problem, we come again tomorrow“
Die polizeiliche Registrierung erforderte von uns viel Kraft und auch wenn wir in manchen Situationen liebend gerne unsere Köpfe gegen die Wand schlagen wollten, so hat uns dies doch gezeigt, dass man in Indien viel Zeit einplanen und man niemals die Geduld verlieren sollte!

Unsere Mädchen des Clare Bhavans kennen wir, nach einem harten Crashkurs, auch schon alle beim Namen. Mit ihnen verbringen wir eine schöne Zeit. Bis spät in den Abend basteln, spielen, tanzen und albern wir mit ihnen rum.
Leider konnten in letzter Zeit vor allem die älteren Mädchen immer seltener dabei sein, da die großen Prüfungen vor den Herbstferien bevorstanden und viele Schüler im Lernstress waren. Seit einer Woche sind nun Ferien und die Mädchen verbringen diese, befreit vom Schulstress, bei ihren Familien zuhause, sodass das Good Shepherd ein sehr ruhiger Ort geworden ist.
Mal-und Bastelstunde




"Say Hiiii!"


Neben den Freizeitaktivitäten mit den Mädchen begannen wir auch mit den ersten Unterrichtsstunden in der Lokalsprache Tamil und im Nähen. Wohingegen wir für unsere Tamilsätze großes Lob bekamen, landeten unsere ersten Nähmaschinenkünste eher in der Mülltonne als in unserer Garderobe- „No problem, you try again.“

Unsere vierte Woche im GSHEC können wir leider als nicht sehr erfreulich bezeichnen.
Es fing damit an, dass erst ich, Ana, mit schlimmen Magenproblemen im Bett lag und nach zwei Tagen schließlich Teresa, aufgrund hohen Fiebers, Bettruhe verordnet wurde. Mir ging es nach einem Tag zwar wieder gut, doch Teresas Gesundheitszustand schien sich nicht zu bessern, sodass sie letzten Sonntag schließlich in das örtliche Krankenhaus von Karamadai gebracht wurde. 
Es wurde Typhus diagnostiziert, doch glücklicherweise wurde sie in Deutschland bereits dagegen geimpft, wodurch sie nur „leicht“ erkrankt war- „No problem, she will be fine tonight“
Nach zwei Nächten und vielen Telefonaten nach Deutschland durfte sie wieder ins GSHEC zurück. Derweilen liegt sie gelangweilt im Bett und wird von den Sisters und mir versorgt. 

Seit diesem Ereignis wissen wir, dass wir auf unsere Ernährung in Indien mehr als üblich acht geben sollten und kein schlechtes Vertrauen gegenüber dem indischen Gesundheitssystem hegen sollten, auch wenn sich indische Krankenhäuser sich von deutschen deutlich unterscheiden.

In diesem Sinne bedanken wir uns herzlich sowohl bei den Krankenschwestern des „Subbu Hospitals“ als auch bei den Sisters, die sich Tag und Nacht liebevoll um Teresa gekümmert haben!

Während Teresa im Krankenhaus lag, war es nun meine Aufgabe eine Präsentation über die Millenniumsziele (Millennium Development Goals) der UN zu verfassen, um diese vor 80 Schülern einer internationalen Schule vorzutragen. Diese Schüler kamen aus allen Teilen der Welt, von Korea über Deutschland bis USA, und sie besichtigten unser Projekt um einen Einblick in soziale Entwicklungshilfe zu bekommen. Zusammen mit einigen Büromitarbeitern von GSHEC und den Lehrern der Schüler aßen wir zusammen und besichtigten noch einige Dörfer.
Es bereitete mir große Freude, so viele junge Menschen aus verschiedenen Nationen kennen gelernt zu haben und mich mit ihnen über unsere indischen Erlebnisse auszutauschen. 

Die vollbesetzte Memorial Hall

Ana beim präsentieren der MDGs

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass unsere ersten vier Wochen in Indien ihre Höhen und Tiefen mit sich brachten. Wir haben gelernt, dass es manchmal auch von Vorteil sein kann in schwierigen Situationen alles von der „No problem“-Seite zu betrachten aber dass es auch viel Zeit und Geduld erfordert diese, in unseren Augen manchmal, indische Floskel Ernst zu nehmen.
Neue Bekanntschaften, Eindrücke und Erlebnisse duften wir erfahren und das Schöne an Indien ist, dass jeder weitere Tag etwas Neues und Unerwartetes für uns bereit hält und wir deshalb gespannt auf den kommenden Monat blicken.


Dienstag, 11. September 2012

Unser erstes Namaste aus Indien

 
Reise

Die Zeit zwischen dem letzten Vorbereitungsseminar und unserer Abreise verging schneller als gedacht und plötzlich fanden wir uns in einem Chaos am Frankfurter Flughafen wieder. Wegen eines Streiks der Lufthansa wussten wir fast bis zur letzten Minute nicht, ob unser Flugzeug starten würde. Doch mit einiger Verspätung konnten wir unser Abenteuer Indien dann doch beginnen. Schon unsere indischen Mitreisenden gaben uns einen kleinen Vorgeschmack auf unsere neue Heimat. Nach 16 Stunden Reise begrüßte uns schließlich Malathi, die Hauptmentorin aller Freiwilligen, am Flughafen von Coimbatore.

Die Zeit im KKID

Das KKID (Karl Kübel Institute for Development and Education) ist der indische Hauptsitz der Karl Kübel Stiftung, in dem alle Freiwilligen ihre erste Woche in Indien verbringen.

Diese Woche war für uns ein volles Programm: Unsere erste Fahrt in einem öffentlichen Bus nach Coimbatore glich durch die laute Bollywoodmusik mehr einem Besuch einer indischen Disko. Das Hupkonzert auf der Straße war dabei nur noch Nebensache. Angekommen in Coimbatore hieß es für uns Mädchen erst einmal die lang ersehnten Churidas zu kaufen. Stunden später und ein paar Rupees ärmer wurden wir in Malathis Haus herzlich in Empfang genommen, wo wir vorerst erschöpft zusammen brachen dann aber einen schönen Abend zusammen verbrachten.
 
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Eine andere neue Erfahrung war der Besuch im Dhyanalinga Yoga Tempel. Hier nahmen wir beide ein rituelles Bad, das sogenannte Dipping, im heiligen Wasser. Dies und die hundert meditierenden Menschen waren für uns sehr beeindruckend anzusehen!

 
Eine Kuh darf in einem hinduistischem Tempel nicht fehlen!

Am darauffolgenden Tag hieß es für uns alle: Festhalten! Denn die rasante Jeepfahrt in die Berge der Western Ghats war nichts für schwache Nerven. Hier besuchten wir verschiedene Dörfer (Tribal Villages), einen Kindergarten, eine Schule und ein Krankenhaus.
Eine so große Gruppe von „weißen“ Fremden hat viele Kleinkinder leider sehr eingeschüchtert und obwohl wir herzlich empfangen wurden fühlten wir uns dadurch beide fast als Eindringlinge in eine komplett fremde Welt...
Für die Schulkinder dagegen stellten wir ein großes Highlight dar. Sie empfingen uns mit offenen Armen und stellten uns viele Fragen. Auch wir waren sehr interessiert an ihrem Schulleben, sodass sich unser Besuch zu einem erfolgreichen Kulturaustausch entwickelte.

Kindergartenkinder beim Spielen

 
"What is your favorite color?"

Die letzten Tage im KKID waren für uns sehr aufregend, denn wir sahen das erste Mal unsere Mentorin Sister Celine Hari, die für die nächsten acht Monate unser Ansprechpartnerin in unserem Projekt GSHEC sein wird. Es wurde viel über Erwartungen, Regeln und kulturelle Unterschiede besprochen, wodurch schon im Voraus einige Missverständnisse aus der Welt geschaffen wurden.

Den Abschluss unserer Zeit im KKID bildete ein kultureller Abend, bei dem sowohl Mentoren als auch Freiwillige ihre Tanz- und Gesangskünste zum Besten gaben. Als Überraschung führten die Bewohner eines Tribal Village einen traditionellen Volkstanz auf. Nach ein paar Runden tanzten auch wir, begleitet von Trommeln und Flöte, begeistert im Kreis.



Der folgende Abschied von den anderen Freiwilligen und Malathi war für uns schwerer als gedacht. Einen besseren Einstieg, bei dem wir so viele verschiedene Seiten Indiens kennen lernten, können wir uns nicht vorstellen.

Jetzt sind wir plötzlich zu zweit und unser „Leben“ in Indien, auf das wir so lange gewartet haben, kann endlich beginnen...



Ankunft im Good Shepherd Health Education Centre

Als wir nach kurzer Fahrt im GSHEC ankamen, wurden wir sofort von Kindern umringt, angefasst und vor allem wegen unserer mangelnden Aussprache der indischen Namen ausgelacht. Nach indischer Art wurden wir von der Organisation mit Blumen begrüßt und von allen Schwestern und dem Team sehr herzlich aufgenommen.
Wir haben auch schon unsere erste Messe besucht, die allerdings auf Malayalam gehalten wird, weswegen wir leider nichts verstanden haben. Nach der Messe wurden wir sogleich von unseren Mädchen des Clare Bhavan entführt und schon hieß es „play games, play games!“ und nach einigen Runden „Big Fat Pony“ und „Zip, Zap, Plong“ hieß es sogleich „more games, more games!“


"Auntie, Auntie. Next Game!"


Am Sonntag besuchten wir das Frauenhaus „Karunai Illam“, das von acht Schwestern betreut wird und Frauen ein zuhause bietet, die geistig behindert sind und aus ihren Familie verstoßen wurden.
Schon vom Weiten sahen wir, dass dieser  Tag ein besonderer Tag  ist, denn das „Karunai Illam“ platzte aus allen Nähten und war bunt geschmückt. Anlass war der „Benefactors Day“, der zu Ehren aller Förderer des Frauenhauses gefeiert wird. Das Programm bestand aus verschiedenen Reden, die wir leider nicht verstanden, weshalb die indischen Tanzeinlagen eine willkommene Abwechslung  darstellten.
 
 
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Sister Paulita und einige Mädchen des Clare Bhavans in ihren Tanzkostümen

 
Die Arbeit der Schwestern im „Karunai Illam“ empfinden wir als sehr beeindruckend. Viele erzählten uns, dass es sehr anstrengend ist, da eine Kommunikation mit den Frauen meistens nicht möglich ist und sie Tag und Nacht betreut werden müssen.

Bevor unsere Arbeit im Projekt beginnt stehen noch einige organisatorische Formalitäten an, wobei die indische Bürokratie uns nach wie vor ein Rätsel bleibt.
In den nächsten Tagen werden wir das Projekt und das Team besser kennenlernen und unsere Aufgaben festlegen.

Wir freuen uns schon auf unseren „indischen Alltag“.





Die diesjährigen Freiwilligen 2012/13

Die diesjährigen Freiwilligen 2012/13