Freitag, 25. Januar 2013

Happy Pongal

Letzte Woche durften wir eines der wichtigsten hinduistischen und tamilischen Feiertage hier erleben: Pongal, was wörtlich “Überkochen” heißt. An vier Tagen legen alle Farmer ihr Arbeit nieder und ehren Suryia, den Sonnengott. Man kann es wohl am ehesten mit dem deutschen Erntedankfest vergleichen.

Das war auch für uns der Grund, warum wir uns morgens pünktlich um sechs Uhr in dem Tempel eines unserer Projektdörfer wieder fanden. Hier haben wir die gesamte Vorbereitung für die Pongal-Zeremonie im Tempel miterlebt, was vor allem das Kochen des “Pongal” bedeutet: Wasser und Milch werden so lange über der Feuerstelle gekocht, bis sie überkochen. Dann werden nach und nach Reis, Cashewkerne, Ghee und Palmzucker dazugegeben…

…und eine Weile später kriegt jeder seine eigene Portion Pongal. 

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Auch die Verehrung der anderen Götter darf an Pongal nicht zu kurz kommen. In unserem Fall war das der Gott Garnesh, dem der Dorftempel geweiht ist. Nach und nach wurde die Gottesstatue mit Milch, Joghurt, Pongal und vielen anderen Dingen eingerieben und schlussendlich mit Wasser wieder abgewaschen. Während dieser heiligen Zeremonie wird durchgehend eine Glocke geläutet und die Gläubigen beten.

An Pongal findet man überall so genannte Kollam, bunte Bemalungen, vor den Häusern auf der Straße. Auch wir haben mitgeholfen…DSCN1623 DSCN1635

Den restlichen Tag über gab es in der Dorfschule Wettbewerbe aller Art und für alle Generationen. Die komplette Dorfbevölkerung kommt zusammen, rennt, spielt tamilische – für uns unerklärliche Sportarten – und tanzt bis spät in den Abend um die Wette.

 

Mattu Pongal

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Auch der Tag des “Mattu Pongals”, dem Pongal für die Kühe, fing für uns wieder im Tempel an. Die Massen, die diesmal auf den hinduistischen Priester gewartet haben und auch die Stimmung, die dabei entstanden ist, war für uns echt beeindruckend.

 

 

 

Die hinduistischen Dorffrauen haben außerdem noch einen traditionellen Kreistanz aufgeführt, bei dem auch wir ein paar Runden mit drehten.DSCN1669

Danach ging es für uns zu einer Farmer Großfamilie– insgesamt 30 Bewohner unter einem Dach. Alles war vorbereitet: das Pongal gekocht, die Hörner der Kühe bunt gefärbt und wunderschöne Kollam auf dem Boden gemalt. Zuerst einmal wurde der Familiengott im eigenen Haustempel verehrt, bis es schließlich mit der eigentlichen Zeremonie mit einem hinduistischen Priester weiter ging. Hierbei werden die Kühe gesegnet, bekommen neue Stricke umgebunden, müssen einmal durch gesegnetes Wasser laufen und werden schließlich mit ihrem eigenen Pongal gefüttert.

Was das Essen angeht.

Eigentlich haben wir die zwei Tage durchgehend gegessen. Jedes Mal, wenn wir irgendein Haus oder auch einen Tempel betreten haben, wurden wir sofort mit Essen versorgt. Auf der einen Seite ist die tamilische Gastfreundlichkeit überwältigend, auf der anderen bringt sie einen irgendwann zur Verzweiflung. Was alles nur nett gemeint war, tat unseren Mägen leider alles andere als gut. Aber Wehren bringt ist zwecklos. Jegliche Ansätze, wie “ich bin so voll” bringen nichts. Auf einmal liegt doch noch eine Portion Reis mehr auf dem Teller. Da heißt es wohl einfach: Augen zu und Mund auf. Fasten kann man die nächsten Tage, wenn die ganzen Familienbesuche vorbei sind.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Warum man während einer Toilettenspülung sein Gewissen einschalten sollte.

Am Horizont erstrecken sich die gigantischen Berge der Western Ghats, idyllische Stille umsäumt uns und die Sonne brennt auf unserer Haut. Wir sind in Samakkal Nagar, einem kleinem Dorf mitten in der tamilischen Prärie, das gerade mal vor fünf Jahren gegründet wurde. Anlass war die Spendenaktion einer Privatperson, die ihr Land an die Regierung übergab um ein neues Dorf für die Unterschicht zu errichten.

Die Unterschicht der Gesellschaft- oder anders gesagt die unterste Kaste, Dalits.

An diesem Tag ist es besonders heiß in Samakkal Nagar. Der Monsun ist bis jetzt in ganz Tamil Nadu ausgeblieben und Wasserknappheit macht sich langsam aber sicher bemerkbar. Wasser- eine so kostbare Ressource. Das wird uns erst jetzt bewusst, denn wir sollen eine Case Study über neu errichtete Regenwassertanks in Samakkal Nagar schreiben, die mit Hilfe deutscher Privatspenden und GSHEC finanziert werden.

Rund 70 Familien haben sich inzwischen in dem kleinem Dorf in der Nähe von Karamadai angesiedelt. Die Familien errichten mit ihren eigenen Händen ihre Häuser und bebauen das Land. Ein kleiner Shop, in dem Allerlei gekauft werden kann, gibt es auch schon und die großen Ziegelsteinfabriken um die Ecke geben den Menschen Arbeit. Harte Arbeit aber dennoch Arbeit. Viele Kinder gehen in die Schule, einige studieren bereits. Das Dorf ist durch eine asphaltierte Straße erreichbar. Entwicklung ist sichtbar und den Menschen scheint es gut zu gehen aber es bleibt ein hartes Leben, das wir so nicht kennen.

Vor allem aber stehen die Familien in Samakkal Nagar vor einem gemeinsamen Problem. Wasserknappheit. Ein Problem, das uns Freiwilligen aus der Stadt bis dahin unberührt ließ, nun uns aber plötzlich vor Augen gehalten wird.

Wir haben nachgeschlagen. Eine Toilettenspülung verbraucht ca. drei bis sieben Liter. Sieben Liter, die per Knopfdruck einfach durch unsere Toilette ziehen und verschwinden?

Kavery und ihr Ehemann erwarten ihr erstes Kind. Sie bauen sich ein neues Haus aus Stein, weil ihre Hütte aus Schilf in Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Wie alle anderen Frauen aus dem Dorf muss auch Kavery täglich um sechs Uhr abends zur Wasserstelle laufen, sich anstellen, warten und ihre Wasserkrüge auffüllen. Jeder darf einen Wasserkrug auffüllen, danach ist der nächste dran. Das ist gerecht. Eine Wasserleitung führt in das Dorf. Eine Wasserleitung, die nur eine Stunde pro Tag für 300 Menschen Wasser liefert. Ist das gerecht? DSCN1360                                                                                                                                                                      DSCN1352

Glücklicherweise verläuft um das Dorf eine weitere Wasserleitung, die zur nächsten Stadt führt und eigentlich nicht für die Bewohner von Samakkal Nagar bestimmt ist. Aber die Wasserleitung hat ein Leck, warum sich also nicht daran bedienen?

Es ist nicht einfach für Kavery. Bei dem Gedanken an die ungerechte Wasserverteilung an die Stadt- und Landbewohner wird sie traurig, verrät sie uns. So ergeht es nicht nur ihr sondern auch vielen anderen Frauen, denn das patriarchalische System in Indien sieht es vor, dass die Frau sich um Haushaltsdinge alleine kümmern muss. Das Wasserproblem ist somit auch zum größten Teil ein „Frauenproblem“, da es sehr beschwerlich ist jeden Tag nach der Arbeit fünfzig Liter nach Hause zu tragen.

Fünfzig Liter. Zehn Toilettenspülungen. Mit so viel schaffen die Frauen es im Schnitt ihre Familien pro Tag mit Wasser zu versorgen. Mehr ist meistens nicht drin, da die Schlange an den vier Wasserhähnen zu lange ist, während die Zeit zum Wassertanken zu kurz. Oder man macht sich eben doch auf den Weg zum 1 km entfernten Wasserleck.

Ein neuer Regenwassertank soll helfen. Eigeninitiative der Familien ist hierbei gefragt, denn um einen neuen Regenwassertank zu erhalten muss man sich bewerben und begründen warum man einen Tank benötigt.

Fünf Familien wurden schließlich von GSHEC ausgewählt. Eine davon ist Kavery und ihr Ehemann. Bald auch ihr neu geborenes Kind.

Alle teilen die gleiche Hoffnung: Eine sich verbessernde Lebenssituation durch eine verlässliche Wasserversorgung.

Jetzt heißt es für sie nur noch warten. Auf Regen und damit einem besseren Leben.

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Montag, 7. Januar 2013

Halbzeit.

Auch von unserer Seite wünschen wir euch, liebe Blogleser, ein Frohes Neues Jahr 2013!

Das letzte Jahr ging für uns nochmal mit einem Höhepunkt zu Ende: Weihnachten in Goa! Eine kleine Auszeit von dem „echten“ Indien, das wir sonst kennen, und eine große Erinnerung an das “westliche” Leben, das wir in Deutschland führen.

Hier ein paar Fotoeinblicke…

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Nach unserem Weihnachsturlaub ging es auch gleich wieder ans Werk! Die “Karl Kübel Trophy” im KKID stand vor der Tür, in der Kinder aus verschiedenen NGOs in Wettbewerben gegeneinander antraten um die begehrte Karl Kübel Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Auch GSHEC beteiligte sich an den Wettbewerben und wir durften die Kinder drei Tage lang im KKID begleiten.

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Mit dem neuen Jahr ist bei uns jedoch auch Halbzeit angesagt. Ein guter Zeitpunkt um zurückzublicken…

Vor mehr als vier Monaten wurden wir in eine komplett neue, bunte, überwältigende Welt hineingeworfen. Anfangs waren wir mit den Sitten, dem Essen und der Sprache etwas überfordert, doch mittlerweile gehört vieles zu unserem Alltag. So rennen wir nicht mehr schreiend vor jeder Kakerlake davon, den ständigen Strom-und Wasserausfall sehen wir gelassener und tamilische Wörter haben wir schon in unseren Wortschatz integriert. Doch das Schönste ist, dass wir die Menschen, die uns umgeben, nun besser kennen. Mit den Sisters reißen wir schon den einen oder anderen Witz, unsere Köchin Amutha können wir nun als Freundin bezeichnen und von den Mädchen des Clare Bahvans werden wir jeden Abend mit Küssen und Umarmungen verabschiedet.

Teilweise müssen wir über die zwei Freiwilligen schmunzeln, die sich zu Beginn über viele Missverständnisse geärgert haben und im Kerzenschein verzweifelt ein langes Gesicht zogen, doch in den letzten vier Monaten hatten wir unsere Höhen und Tiefen. Wir haben gemerkt, dass wir in Indien durchaus auch als "Lernende” sind. Wir haben gelernt mit einer neuen Mentalität zurecht zu kommen, andere Sitten zu akzeptieren und sie auch zu schätzen zu wissen.

Indien können wir nun als unsere zweite Heimat bezeichnen und wir beide sind uns jetzt schon sicher, dass wir unser “Incredible India” niemals vergessen und sehr vermissen werden.

Wir freuen uns auf jeden Fall auf die nächsten vier Monate, auf weitere neue Begegnungen, auf die bevorstehende Rundreise und sind für alles offen, was uns noch erwarten wird!

Die diesjährigen Freiwilligen 2012/13

Die diesjährigen Freiwilligen 2012/13