Donnerstag, 10. Januar 2013

Warum man während einer Toilettenspülung sein Gewissen einschalten sollte.

Am Horizont erstrecken sich die gigantischen Berge der Western Ghats, idyllische Stille umsäumt uns und die Sonne brennt auf unserer Haut. Wir sind in Samakkal Nagar, einem kleinem Dorf mitten in der tamilischen Prärie, das gerade mal vor fünf Jahren gegründet wurde. Anlass war die Spendenaktion einer Privatperson, die ihr Land an die Regierung übergab um ein neues Dorf für die Unterschicht zu errichten.

Die Unterschicht der Gesellschaft- oder anders gesagt die unterste Kaste, Dalits.

An diesem Tag ist es besonders heiß in Samakkal Nagar. Der Monsun ist bis jetzt in ganz Tamil Nadu ausgeblieben und Wasserknappheit macht sich langsam aber sicher bemerkbar. Wasser- eine so kostbare Ressource. Das wird uns erst jetzt bewusst, denn wir sollen eine Case Study über neu errichtete Regenwassertanks in Samakkal Nagar schreiben, die mit Hilfe deutscher Privatspenden und GSHEC finanziert werden.

Rund 70 Familien haben sich inzwischen in dem kleinem Dorf in der Nähe von Karamadai angesiedelt. Die Familien errichten mit ihren eigenen Händen ihre Häuser und bebauen das Land. Ein kleiner Shop, in dem Allerlei gekauft werden kann, gibt es auch schon und die großen Ziegelsteinfabriken um die Ecke geben den Menschen Arbeit. Harte Arbeit aber dennoch Arbeit. Viele Kinder gehen in die Schule, einige studieren bereits. Das Dorf ist durch eine asphaltierte Straße erreichbar. Entwicklung ist sichtbar und den Menschen scheint es gut zu gehen aber es bleibt ein hartes Leben, das wir so nicht kennen.

Vor allem aber stehen die Familien in Samakkal Nagar vor einem gemeinsamen Problem. Wasserknappheit. Ein Problem, das uns Freiwilligen aus der Stadt bis dahin unberührt ließ, nun uns aber plötzlich vor Augen gehalten wird.

Wir haben nachgeschlagen. Eine Toilettenspülung verbraucht ca. drei bis sieben Liter. Sieben Liter, die per Knopfdruck einfach durch unsere Toilette ziehen und verschwinden?

Kavery und ihr Ehemann erwarten ihr erstes Kind. Sie bauen sich ein neues Haus aus Stein, weil ihre Hütte aus Schilf in Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Wie alle anderen Frauen aus dem Dorf muss auch Kavery täglich um sechs Uhr abends zur Wasserstelle laufen, sich anstellen, warten und ihre Wasserkrüge auffüllen. Jeder darf einen Wasserkrug auffüllen, danach ist der nächste dran. Das ist gerecht. Eine Wasserleitung führt in das Dorf. Eine Wasserleitung, die nur eine Stunde pro Tag für 300 Menschen Wasser liefert. Ist das gerecht? DSCN1360                                                                                                                                                                      DSCN1352

Glücklicherweise verläuft um das Dorf eine weitere Wasserleitung, die zur nächsten Stadt führt und eigentlich nicht für die Bewohner von Samakkal Nagar bestimmt ist. Aber die Wasserleitung hat ein Leck, warum sich also nicht daran bedienen?

Es ist nicht einfach für Kavery. Bei dem Gedanken an die ungerechte Wasserverteilung an die Stadt- und Landbewohner wird sie traurig, verrät sie uns. So ergeht es nicht nur ihr sondern auch vielen anderen Frauen, denn das patriarchalische System in Indien sieht es vor, dass die Frau sich um Haushaltsdinge alleine kümmern muss. Das Wasserproblem ist somit auch zum größten Teil ein „Frauenproblem“, da es sehr beschwerlich ist jeden Tag nach der Arbeit fünfzig Liter nach Hause zu tragen.

Fünfzig Liter. Zehn Toilettenspülungen. Mit so viel schaffen die Frauen es im Schnitt ihre Familien pro Tag mit Wasser zu versorgen. Mehr ist meistens nicht drin, da die Schlange an den vier Wasserhähnen zu lange ist, während die Zeit zum Wassertanken zu kurz. Oder man macht sich eben doch auf den Weg zum 1 km entfernten Wasserleck.

Ein neuer Regenwassertank soll helfen. Eigeninitiative der Familien ist hierbei gefragt, denn um einen neuen Regenwassertank zu erhalten muss man sich bewerben und begründen warum man einen Tank benötigt.

Fünf Familien wurden schließlich von GSHEC ausgewählt. Eine davon ist Kavery und ihr Ehemann. Bald auch ihr neu geborenes Kind.

Alle teilen die gleiche Hoffnung: Eine sich verbessernde Lebenssituation durch eine verlässliche Wasserversorgung.

Jetzt heißt es für sie nur noch warten. Auf Regen und damit einem besseren Leben.

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